balance! balance!

Die amici del canto treffen Nils Liedtke (Zirkusartist/Jongleur)

Samstag 22. Juni 2024 | 20 Uhr | CityKirche Elberfeld

Sonntag 23. Juni 2024 | 19 Uhr | Ev. Stephanuskirche Düsseldorf-Wersten

Messe in G-Dur von Francis Poulenc (1899 – 1963) 

Elisa Rabanus: Solo-Sopran

sowie Musik von Camille Saint-Saëns und Chansons aus der Zeit Ende 15. Jh. u.a.

 

Der Eintritt zu den Konzerten ist frei, am Ausgang wird eine Kollekte erbeten.

Über die Musik »

 

Liebe Zuhörer*innen,

wir freuen uns, Sie zu einem besonderen Konzertabend begrüßen zu können. Sie hören heute französische und deutsche Chormusik in Verbindung mit Balance- und Jonglageakten des zeitgenössischen Jongleurs Nils Liedtke.

Die Kompositionen der ersten Programmhälfte sind dem Liedschaffen deutscher und französischer Komponisten entnommen: Clement Janequin, Claude de Sermisy und Jean Mouton, beider Vorbild und Lehrer in Paris, entwickelten in der Renaissance die Form des kleinen weltlichen "Chansons".

Diese Chansons sind in der Regel … weiterlesen »

Nils Benedikt Liedtke

Der in Köln lebende und in zeitgenössischem Zirkus ausgebildete Artist ist spezialisiert auf Jonglage und Objektmanipulation. Geboren am 29.10.1996 in Wuppertal und dort aufgewachsen, entdeckte Nils schon im Alter von vier Jahren und durch den Einfluss seines Vaters, seine Liebe zur Jonglage und damit indirekt zum Zirkus. Der Wunsch, auf der Bühne zu stehen, wuchs im Laufe der Zeit und so ergab es sich, dass das Vater-Sohn-Gespann mit eigener Show an den verschiedensten Orten unterwegs war.

Nach Abschluss seiner Hochschulreife und Freiwilligendienst in Medellín, Kolumbien, begann Nils im Jahre 2018 ein Studium an der Academy for Circus and Performance Art, Fontys Hogeschool van de Kunsten, in Tilburg, das er im Jahre 2022 mit einem Bachlor in Circus and Performance Art erfolgreich abschloss. Seitdem arbeitet er mit vielen Menschen in verschiedenen Projekten wie z.B. in der Compagnie Hëin? (Unnecessary Violence, Paix inteRIEUREEEE, putain !!!, Projet Opaque), sowie mit "Raum für Zirkus" (Projekt Zaun) und diversen kleineren Projekten. Seine Arbeiten fokussieren sich auf das Festhalten komplexer menschlicher Beziehungen – mit einem großen Interesse, die Grenzen des zeitgenössischen Zirkus zu erkunden. Sein Ziel ist es, eine "simple" Kunst zu schaffen, die sensibel und sozial engagiert ist. Foto © Jona Harnischmacher 

cieheincircus.wixsite.com

Programmablauf

Nächtens

Fanny Hensel: Abendlich schon rauscht der Wald

Abendlich schon rauscht der Wald 

aus den tiefen Gründen,

droben wird der Herr nun bald

an die Sterne zünden.

Wie so stille in den Schlünden

abendlich nur rauscht der Wald.

Alles geht zu seiner Ruh,

wie die Welt verbrause,

schauernd hört der Wandrer zu,

sehnt sich tief nach Hause.

Hier in Waldes tiefer Klause,

Herz, geh' endlich auch zur Ruh'!

(Joseph von Eichendorff)

 

 

 

Fanny Hensel: Hörst du nicht die Bäume rauschen

Hörst du nicht die Bäume rauschen,

draußen durch die stille Rund?

Lockt dich's nicht, hinab zu lauschen

von dem Söller in den Grund?

Wo die vielen Bäche gehen

wunderbar im Mondenschein,

und die stillen Burgen sehen

in den Fluss vom hohen Stein.

Kennst du noch die süßen Lieder

aus der alten schönen Zeit?

Sie erwachen alle wieder

nachts in Waldeseinsamkeit,

wenn die Bäume träumend lauschen

und der Flieder duftet schwül,

und im Fluss die Nixen lauschen,

komm herab, hier ist's so kühl!

(Joseph von Eichendorff)

 

 

 

Jean Mouton: Qui ne regrettoit le gentil Févin?

 

Qui ne regrettoit le gentil Févin,

Tres habile estoit, si doux et beguin.

Dont en nostre endroit prions de cueur fin,

Qu'en paradis soit, ou souvent pensoit parvenir en fin.

Wer würde nicht den edlen Févin betrauern?

Er war sehr geschickt, so zart und gütig.

Lasst uns unserenteils mit reinem Herzen beten,

Dass er im Paradise sei, wohin er oft gedachte, am Ende zu gelangen.

 

 

 

Claude de Sermisy: Languir me fais

 

Languir me fais, sans t'avoir offensée,

plus ne m'escrips, plus de moi ne t'enquièrs,

mais nonobstant, aultre dame ne quièrs,

plustost mourir, que changer ma pensée.

Du lässt mich schmachten, ohne dass ich dich beleidigt habe;

schreibst mir nicht mehr, fragst nicht nach mir;

aber trotzdem werde ich keine Andere lieben;

ich sterbe eher, als dass ich meine Liebe lasse. 

 

 

 

Claude de Sermisy: Au joli bois

 

Au joli bois en l'ombre d*un souci,

M'y faut aller pour passer ma tristesse.

Rempli de deuil d'un souvenir transi,

Manger my faut maintes poires d'angoisse.

En un jardin rempli de noire flours,

De mes deux yeux ferai larmes et plours.

Fi de liesse et hardiesse! 

Regret m'opresse, 

puisque j'ai perdu mes amours.

Las, trop j'endure, le temps m'y dure, 

Je vous assure: 

Soulas vous n'avez plus de cours.

In den schönen Wald, beschattet von einer Sorge,

muss ich gehen, um meine Traurigkeit zu vertreiben.

Voller Trauer um eine verblasste Erinnerung,

muss ich die Frucht der Bedrängnis ("Birnen der Angst") essen.

In einem Garten voller schwarzer Blumen,

fließen aus meinen beiden Augen Tränen über Tränen.

Ich fliehe Jubel und Kühnheit, 

Bedauern drückt mich,

da ich meine Liebe verloren habe.

Ach, zu viel ertrage ich, die Zeit dauert mir zu lange,

ich versichere Ihnen:

Trost, du kannst nicht mehr verweilen. 

 

 

 

Clement Janequin: Le Chant du Rossignol

 

En escoutant le chant mélodieulx

De ses plaisans et tant doulx rossignieulx

Qui vont disant ainsy, ainsy, ainsy,

ainsy, ainsy, ainsy, ainsy, ainsy, ainsy,

L'ung d'eux me dist: "Parcy, passez, parcy,

Et vous aurez qui chantera le mieulx."

Tous tous tous tous veulliez estre songneulx

D'amour servir loyaulment en tous lieux

Et luy crier mercy, mercy, mercy,

En escoutant.

Fuyez, fuyez, fuyez, gens merencolieulx

Suyvez les dames en tous lieux

Et de soucy dictes fy fy fy

Retournez cy mardi, mardi,

Et vous serez plus que devant joyeulx,

En escoutant.

Lauschend dem melodischen Gesang 

der sehr zarten und lieblichen Nachtigallen,

die da redeten so, so, so,

so, so, so, so, so, so

sprach eine von ihnen zu mir: "Hier entlang,

und sie werden sehen, wer am schönsten singt."

Ihr alle, alle, alle, alle, überlegt einmal,

der Liebe treu zu dienen, an allen Orten

und ihr zuzurufen: danke, danke, danke!

während ihr lauscht.

Flieht, flieht, flieht die traurigen Menschen,

folgt den Damen allerorten.

Und vor den Sorgen macht kehrt, macht kehrt,

kommt hierher zurück am nächsten Dienstag, Dienstag,

und ihr werdet mehr als glücklich sein,

während ihr lauscht.

 

 

 

Felix Mendelssohn Bartholdy: Abschied vom Walde

 

O Täler weit, o Höhen, o schöner grüner Wald,

du meiner Lust und Wehen andächt'ger Aufenthalt.

Da draußen, stets betrogen, saust die geschäft'ge Welt,

Schlag noch einmal die Bogen um mich, du grünes Zelt!

 

Im Walde steht geschrieben ein stilles, ernstes Wort

vom rechten Tun und Lieben, und was des Menschen Hort.

Ich habe treu gelesen die Worte schlicht und wahr,

und durch mein ganzes Wesen ward's unaussprechlich klar.

 

Bald werd ich dich verlassen, fremd in die Fremde gehn,

auf bunt bewegten Gassen des Lebens Schauspiel sehn.

Und mitten in dem Leben wird deines Ernsts Gewalt

mich Einsamen erheben, so wird mein Herz nicht alt.

 

 

 

Camille Saint-Saens: Calme des nuits

 

Calme des nuits, fraicheur des soirs,

Vaste scintillement des mondes,

Grand silence des antres noirs,

Vous charmez les âmes profondes.

L'éclat du soleil, la gaité,

Le bruit plaisent aux plus futiles;

Le poète seul est hanté

Par l'amour des choses tranquilles.

Stille der Nächte, Abendfrische,

unendliches Funkeln der Welten,

großes Schweigen dunkler Höhlen:

Ihr entzückt die tiefen Seelen.

Blendender Sonnenglanz, Heiterkeit,

Lärm sind leichtfertige Freuden;

den Dichter erfüllt allein

die Liebe zu den leisen Dingen.  

 

 

Joseph Gabriel Rheinberger: Abendlied

Bleib bei uns, 

denn es will Abend werden,

und der Tag hat sich geneigt.


2. Teil

Messe

Kyrie, eleison.

Christe, eleison.

Kyrie, eleison.

Herr, erbarme dich.

Christe, erbarme dich.

Herr, erbarme dich.

 

Gloria in excelsis Deo et in terra pax hominibus bonae voluntatis. Laudamus te, benedicimus te, adoramus te, glorificamus te. Gratias agimus tibi propter magnum gloriam tuam. Domine Deus, Rex coelestis, Deus pater omnipotens. Domine Fili unigenite, Jesu Christe. Domine Deus, Agnus Dei, Filius patris. Qui tollis peccata mundi, miserere nobis. Qui tollis peccata mundi, suscipe deprecationem nostram. Qui sedes ad dexteram patris, miserere nobis. Quoniam tu solus sanctus, tu solus dominus, tu solus altissimus, Jesu Christe. Cum sancto spiritu in gloria Dei patris. Amen.

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind. Wir loben dich, wir preisen dich, wir beten dich an, wir verherrlichen dich. Wir sagen dir Dank ob deiner grossen Herrlichkeit. Herr und Gott, König des Himmels, Gott, allmächtiger Vater. Herr Jesus Christus, eingeborener Sohn. Herr und Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters. Der du die Sünden der Welt hinwegnimmst, erbarme dich unser. Der du die Sünden der Welt hinwegnimmst, nimm unser Flehen gnädig auf. Der du sitzest zur Rechten des Vaters, erbarme dich unser. Denn du allein bist der Heilige, du allein der Herr, du allein der Höchste, Jesus Christus. Mit dem Heiligen Geist in der Herrlichkeit Gottes. Amen.

 

Sanctus, sanctus, sanctus dominus Deus Sabaoth. Pleni sunt coeli et terra gloria tua. Osanna in excelsis.

Heilig, heilig, heilig, Herr, Gott der Heerscharen. Himmel und Erde sind erfüllt von deiner Herrlichkeit. Hosanna in der Höhe.

 

Benedictus qui venit in nomine Domini. Hosanna in excelsis.

Hochgelobt sei der da kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe.

 

Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.

Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.

Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona nobis pacem.

Lamm Gottes, der du trägst die Sünden der Welt, erbarme dich unser.

Lamm Gottes, der du Trägst die Sünden der Welt, erbarme dich unser.

Lamm Gottes, der du Trägst die Sünden der Welt, gib uns Frieden.

Über die Musik

Liebe Zuhörer*innen,

 

wir freuen uns, Sie zu einem besonderen Konzertabend begrüßen zu können. Sie hören heute französische und deutsche Chormusik in Verbindung mit Balance- und Jonglageakten des zeitgenössischen Jongleurs Nils Liedtke.

 

Die Kompositionen der ersten Programmhälfte sind dem Liedschaffen deutscher und französischer Komponisten entnommen: Clement Janequin, Claude de Sermisy und Jean Mouton, beider Vorbild und Lehrer in Paris, entwickelten in der Renaissance die Form des kleinen weltlichen "Chansons". Diese Chansons sind in der Regel von großer Melancholie erfüllt und betrauern eine verlorene Liebe oder einen verlorenen Freund ergehen sich darin, nicht wieder zum Glück zurück finden zu können. Sie stehen in einer Tradition, die an allen europäischen Höfen verbreitet war. U.a. sind die berühmten "Songs and Airs" von John Dowland in direkter Nachfolge dieser Bewegung zu sehen. Eine besondere Frucht dieser Blüte sind die hübschen Vogelgesang-Lieder von Clement Janequin. Durch vielfache Wiederholung bestimmter Wörter des Textes erzeugt er im Ohr des Zuhörers den Eindruck, dass der Vogel selbst zu hören sei. Eine weitere Blüte der Liedkomposition in Europa finden wir in der Bewegung der deutschsprachigen Romantik. Ursprünglich politisch motiviert, besingen die Lieder den Rückzug in Wald, Schatten oder Nacht, um den Unruhen des Tages zu entfliehen. Die Geschwister Fanny und Felix Mendelssohn Bartholdy (Fanny heiratete später den Maler Wilhelm Hensel) waren wesentlich daran beteiligt, diese Liedtradition auch für Chöre urbar zu machen. Sie schrieben ihre Lieder für Aufführungen im elterlichen Garten in Berlin und führten sie dort bei sonntäglichen Konzerten im Freien auf. Die Chorlieder von Camille Saint-Saens, wenngleich eindeutig für konzertante Anlässe geschrieben, stehen in dieser Tradition.

 

Francis Poulenc schrieb seine "messe in sol majeur" (Messe in G-Dur) im Jahr 1937 anlässlich des plötzlichen Unfalltodes eines engen Freundes. Trotz des ernsten Anlasses atmet die Musik der Messe Poulencs ureigenen Charme des Dramatischen. Poulenc selbst sah sich vor allem anderen als Komponisten von Opern und szenischer Musik, und tatsächlich ist seine G-Dur-Messe trotz der Kürze der einzelnen Sätze durchweg kontrastreich und bildhaft. Man sieht förmlich im "Kyrie-Christe-Kyrie" die Menschenmassen Gott als Herrscher mit "Kyrie eleison" anrufen, und sich sodann bei den Worten "Christe eleison" zärtlich dem Gekreuzigten nahen. Das "Gloria" beginnt als geradezu grotesker Marsch, der mehrfach von inniger Anbetung unterbrochen wird. Hier scheint eine geplagte Seele um ihren Glauben an den guten Gott zu ringen, zerrissen zwischen der Wut über die aktuellen politischen Entwicklungen in Europa und der innigen Sehnsucht nach Frieden. Nach aller Zerrissenheit schließt der Satz in einem schwindelerregenden Freudentaumel. Im "Sanctus" begegnen wir Poulencs verspielter Seite. In den Worten eines unserer Sänger: "Ich sehe hier eine himmlische Schulklasse: Die kleinen Engel singen pflichtbewusst und in ernster Andacht das "Heilig, Heilig, Heilig" - aber wehe, der Lehrer verlässt den Raum…" Der Satz schließt mit einem gleißend hellen "Hosanna", das der Vision des Elias würdig ist, in der er die Engel um die Bundeslade singen hört: "Sanctus, Sanctus, Sanctus". Mit dem "Benedictus" wird die Komposition immer eindringlicher. Liturgisch befinden wir uns am zartesten Moment der Messe, kurz vor der Kommunion, nach katholischem Glauben der leibhaftigen Vereinigung von Gott und Mensch. Diesen Moment gestaltet der Komponist mit außerordentlicher Innigkeit, die inmitten des Satzes einen plötzlichen disharmonischen Ausbruch erfährt, der möglicherweise dem geschuldet ist, dass sich Gott und Mensch hier so unerhört nahe kommen. Den letzten Satz gestaltet Poulenc sehr fragil. Solistisch beginnend, entwickelt sich erst allmählich eine Mehrstimmigkeit, die in die eindringliche Bitte um Frieden mündet. Auch hier ist man an die Entstehungszeit erinnert. Das gleichermaßen schlichte wie eindringliche dreifache Motiv des abschließenden "Dona nobis pacem" hat Poulenc 30 Jahre später verwendet, um die Schlussszene seiner Oper "Dialogues des Carmélites" zu gestalten. 

 

Die Gesamtkonzeption des Abends baut auf der Wiederkehr von Elementen auf. Sie ist nicht als stringente Geschichte gedacht, vielmehr werden die Balance- und Jonglage-Elemente in den Kontext der Dramaturgie der musikalischen Entwicklung gestellt, brechen und beleuchten sie bzw. geben den Texten unerwartete und neue Kontexte. Dabei wird das Holz, als organisches Material, zum zentralen Leitmotiv des Abends, das zuweilen spielerisch, zuweilen in rituellem Ernst zum Nachdenken einlädt. Wir hoffen, Sie auf diese Weise in eine ebenso unerwartete wie anregende Welt entführen zu können, und wünschen Ihnen und uns einen eindrücklichen Konzertabend der besonderen Art. 


 

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Kammerchor amici del canto e.V. c/o Ilka Polanz, Friedensstr. 2, 42349 Wuppertal, Tel: 0202/86108, Email: amici.del.canto@gmx.de

 

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